Im Interview: Dirk Jansen ( B.U.N.D.) zum Thema Hydraulic Fracturing ( „Fracking“ )

05.01.2011

„Statt Erdgasförderung um jeden Preis wollen wir die Energiewende"

Die Erdgasförderung boomt, in den letzten Jahren verstärkt auch durch sog. nichtkonventionelle Fördermethoden.
Das umstrittene Hydraulic Fracturing ( „Fracking“ ) - Verfahren wird in den USA großflächig angewendet und ruft Proteste von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen auf den Plan. Dirk Jansen vom B.U.N.D. NRW erläutert die Gefahren dieser Technologie.

 

Wodurch unterscheidet sich das Fracking von herkömmlichen Fördermethoden
und welche Gefahren entstehen dadurch ?


In einer klassischen Lagerstätte ist das Erdgasmuttergestein porös und
durchlässig. Das Gas kann deshalb frei wandern. Im Gegensatz dazu
ist das Gas unkonventioneller Lagerstätten in Kohle-, Ton- oder
Schiefergestein eingeschlossen. Gas aus diesen agerstätten kann nur mit aufwändiger Technik
gefördert werden kann. Es eicht in der Regel nicht aus, die Lagerstätte einfach anzubohren, sondern die
Gesteinsformationen müssen durch sogenanntes „Hydraulic Fracturing“ -
kurz „Fracking“ - zerstört werden, um Wegsamkeiten zu schaffen, die ein
Herausströmen des Gases ermöglichen. Dazu wird unter hohem Druck ein Gemisch
aus Wasser und Additiven in den Untergrund gepumpt. Insbesondere die
zugefügten Chemikalien - u.a. giftige und wassergefährdende Biozide -
bedrohen das Grundwasser. Weiteres Gefährdungspotenzial liegt in dem so
genannten Lagerstättenwasser, dass mit Schwermetallen und Radionukliden
angereichert sein kann.

In den USA gibt es seit längerem bereits einen Förderboom bei
unkonventionellem Gas und Öl, der Auswirkungen auf die Weltmarktpreise hat. In
welchem Umfang befinden sich in Deutschland ausbeutbare Vorkommen, die per
Fracking gefördert werden könnten ?


Das Potenzial von Erdgas in dichten Lagerstätten wird seitens der
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf weltweit 666 Bill.
m3 geschätzt. Auf ganz Westeuropa entfallen davon geschätzte 3,7 Prozent.
Ressourcenabschätzungen für Tight Gas weisen lt. BGR für das Norddeutsche
Becken beträchtliche Mengen in der Größenordnung von 100 bis 150 Mrd. m3 an
gewinnbarem Erdgas aus. Für weite Teile der in Deutschland in Frage kommenden
höffigen Gesteinsformationen steht jedoch ein genaue Erkundung aus. Der
Energiemulti ExxonMobil schätzt so z.B., dass allein in NRW bis zu 2.100 Milliarden Kubikmeter
Erdgas agern könnten.

Der BUND hat sich beim Umweltausschuss des Bundestages für ein Verbot der
Fracking- Technologie eingesetzt. Stehen Sie mit dieser Forderung relativ
allein da oder gibt es einen breiteren Konsens darüber ?


Bislang sind die bergrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Aufsuchung und
Gewinnung von Erdgas wenig transparent. Weder eine breite Einbeziehung der
Öffentlichkeit, der betroffenen Grundeigentümer und Kommunen, noch eine
obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung sind vorgesehen. Auch die
Wasserbehörden werden in den seltensten Fällen beteiligt. Zudem werden
Genehmigungsverfahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt.
Niedersachsen genehmigt so z.B. quasi "auf Zuruf".
Große Einigkeit besteht daher, dass das Bergrecht novelliert und der
Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes zur Anwendung gebracht werden
muss. Davon sind wir aber in der Behördenpraxis noch weit entfernt. Ich halte
deshalb ein bundesrechtliches Verbot für unabdingbar, um Mensch und Umwelt
dauerhaft zu schützen.

Wie steht es in Deutschland um die rechtlichen Grundlagen für ein
Fracking-Verbot ?


Frankreich hat das "Fracking" per Gesetz grundsätzlich verboten. In
Nordrhein-Westfalen wurde bis zur Fertigstellung einer umfassenden
Risikoanalyse, die für den Sommer 2012 erwartet wird, per Erlass
ausgeschlossen, dass Fracking-Genehmigungen erteilt werden. Schon jetzt ist das
Untersagen von Aufsuchungs- und Gewinnungsgenehmigungen also auch in
Deutschland möglich. Im Bergrecht könnten problemlos entsprechende
Verbotstatbestände formuliert werden. Wir sehen das anachronistische und
undemokratisch ausgerichtete Bundesberggesetz allerdings grundsätzlich
kritisch. Das Bundesberggesetzt muss meines Erachtens
grundsätzlich reformiert - oder abgeschafft - werden.

Welchen Einfluss können Bürger und Verbraucher auf die Energieunternehmen und
die Politik ausüben, wenn sie schädliche Folgen für Gesundheit und Umwelt
verhindern möchten ?


Bislang waren die Bürgerinnen und Bürger in den Genehmigungsverfahren "außen
vor". Auch deshalb hat sich eine breite Bürgerbewegung gegen das
Erdgas-Fracking gebildet. Etliche Bürgerinitiativen haben sich deutschlandweit
gruppiert und gut vernetzt - auch mit dem BUND. Durch Öffentlichkeitsarbeit
und Aktionen wurde der Protest publik gemacht und in die Politik getragen.
Diese ist jetzt am Zuge. Erste Erfolge stellen sich ein: Der Bundesrat
diskutiert über Verbesserungen des Bergrechts, in NRW gilt ein
Fracking-Moratorium, ExxonMobil hat angekündigt, (vorerst?) auf Fracking
verzichten zu wollen. Statt Erdgasförderung um jeden Preis wollen wir die Energiewende,
hin zu effizienten Technologien, dem Energiesparen und zu 100% Erneuerbaren Energien.

Linktip: www.bund-nrw.de/fracking
 
Das Interview führte Jörg Wunderlich